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„Die Brieftaube, eine Mischlingsrasse, fliegt in 4 Minuten 7,5 Kilom. Und kehrt aus 100 Meilen Entfernung zurück. Sie wird seit älteren Zeiten benutzt und war bis zur Erfindung des Telegraphen im Krieg und Handel (Kurstauben Rothschilds) von Bedeutung. […] seit der Belagerung von Paris wurden sie auch wieder für Kriegszwecke benutzt […].“
Meyers Konversations-Lexikon, 3. gänzlich umgearbeitete Auflage, Bd. 15, Leipzig 1878, S. 6 |
„Als Paris von den deutschen Truppen eng cerniert war, suchte man eine Verbindung mit der Provinz herzustellen. Von Paris aus ging dies sehr gut vermittels des Luftballons, aber man konnte nicht nach Paris hineinkommen, […]. Nachdem man eine Depeschenbeförderung auf die verschiedenste Weise versucht hatte, ohne zum Ziele zu kommen erinnert man sich der Brieftauben. […] Mit Hilfe der Photomikrographie wurden die Depeschen derartig verkleinert, dass man einer einzigen Brieftaube 40 000 Depeschen mitgeben konnte, welche in eine Federspule gesteckt wurden, die man an der mittelsten Schwanzfeder mit einem Seidenfaden bestetigte. […] Diese Erkenntnis brachte einen enormen Aufschwung des Brieftaubenwesens hervor. W. Hess: Die Taube als Briefbote, in: Prometheus. Illustrirte Wochenschrift über die Fortschritte in Gewerbe, Industrie und Wissenschaft, Nr. 89/1891, S. 579 f.Abb.: Die Medaille wurde an Züchter und verantwortliche Mitarbeiter im Militärdienst vergeben, die sich um das Brieftaubenwesen im Dienst des Militärs verdient gemacht hatten. – nach: http://www.ehrenzeichen-orden.de
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Um durch Brieftauben von einem Ort zu dem anderen Nachrichten zu schicken, muß folgendes eingehalten werden. Die einzelnen Brieftaubenstationen sollen gewöhnlich nur ungefähr 50 Kilometer von einander entfernt liegen. Jede Stationen muß von beiden Seitenstationen wenigstens je 10 Tauben vorräthig haben, um eine ankommende Depesche, ähnlich einer telegraphischen, sofort nach einer oder der anderen Seite weiter geben zu können. Die Nachrichten oder Depeschen selbst müssen auf dünnes Papier geschrieben sein, welches ähnlich dem telegraphischen Vordruck enthält, in welchem sich die Zeit sowie der Ort des Abgangs sowie die Bestimmung leicht einfügen lassen. Dieses Papier wird ganz fein zusammengefaltet und in eine kleine Gummihülse gesteckt, welche wie das Papier hierzu auf jeder Station vorräthig sein muß. Hierauf wird mit leichtem baumwollenen Faden die Hülse von dem geschlossenen Theile an zusammen mit dem / gefaltenen Papier derart leicht umwickelt, daß alle Luft entfernt ist und nichts zurückbleibt als die mit der Gummihülse noch umgebene Depesche. |
W. Roeder: Die Brieftaube und die Art ihrer Verwendung zum Nachrichtendienst. Zusammengestellt für die Wißmann-Expedition nach Deutsch-Ostafrika, S. 16 f. |
Mediennutzung
1928 – Lexikon, Epidiaskop und Arbeitsunterricht
„Die Zeit diktiert heut ein rasches Tempo; im Leben draußen, daheim, selbst in den stillen Schulräumen ist der Pulsschlag heut rascher, formt die Zeit schneller als früher. Da hilft kein Klagen und Trauern. All das hat seine Daseinsberechtigung, wie sie ehemals, aus ihren Zeiten heraus, die Stille einer Klosterschule hatte. Unsere Jugend lebt im Zeitalter der Automobile, des Radios, des Flugzeugs mit 100 km und mehr Stundengeschwindigkeit. Und wenn dem Jungen in der Schule bewußt oder unbewußt alle diese Dinge ferngehalten werden, dann wird sein Sinnen und Trachten nach der Schule um so mehr von ihnen gefangen genommen. Sie sind Ausdruck der Zeit, Charakteristika, Wesensarten, und ohne sie ist das Zeitbild falsch.“ (S. 380) Die Zeit, so der Autor dieses Beitrags, erfordere also im Unterricht diesen Veränderungen Rechnung zu tragen. Der Weg über „das schnell laufende Filmband das unmittelbarste Leben der Jugend belehrend vor Augen“ zu führen, sei „für die meisten noch nicht gangbar“. Die früher üblichen „mehr oder minder gelungenen Anschauungstafeln“ seien „unvollkommen, schwerfällig und veraltet“. Eine Lösung böte sich an über „die Aufstellung einer Sammlung von Glasdiapositiven“. |
„Wer aber je dem Praktischen dieser Frage nähertrat, der weiß, mit welchen Schwierigkeiten und hohen Geldausgaben all dies verknüpft ist. Schon bei der Anschaffung eines guten Dia-Projektionsapparates entstehen die ersten Schwierigkeiten. Diese Hindernisse aber werden noch größer und erscheinen riesengroß, wenn man an den Ausbau eines solchen Lichtbildarchives geht. Die Glasdiapositive und auch die Filme sind kostspielig, leicht verderblich und darum von einer relativ kurzen Lebensdauer. Springen, Einreißen und Zerkratzen sind an der Tagesordnung und erschweren diese Arbeit. Da führt, wie die Erfahrung hier und an anderen Schulen lehrt, ein Mittelweg zu einem beachtenswerten Ziel. Eine vorbildliche Sammlung erstklassiger Anschauungsbilder, einfarbig und bunt, ist im neuzeitlichen Lexikon zu finden, sei es nun ein Lexikon von dieser oder jener Tendenz. Sie alle verfügen über viele Hunderte von Anschauungsbildern erster Zeichner, erster Künstler. Das Lexikon ist handlich übersichtlich geordnet, ist großzügig angelegt. Hier folgen eine Warnung, dass bei bestimmten Apparaten die Bilder durch die von den Lampen ausgestrahlten Wärme beschädigt werden, Erläuterungen zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Auf- und Durchprojektion sowie Hinweise, wie es „durch die Hilfe der Schüler“ möglich sei, den Klassenraum schnell für die Projektion herzurichten. „Jedenfalls ist diese Arbeit in unserer Schule, die Arbeit mit dem Lexikon, dem Projektionsapparat und der Pergamentfläche so positiv und produktiv, daß wir den Apparat schon in jedem Unterrrichtsfach, ob Heimatkunde oder Deutsch, Zeichnen oder Musik, brauchten, und dies recht oft, da Lehrer und Schüler fühlten, daß der so belebte Arbeitsunterricht nach jeder Seite hin ertragrecher war als der nur sachlich eingestellte.“ (S. 381) |
Bruno Zwiener: Lexikon, Epidiaskop und Arbeitsunterricht, in: Neue Bahnen – Reform-Zeitschrift für Erziehung und Unterricht, 39. Jg. H-8/1928, S. 380 – 381Abb. Paul Ed. Liesegang: Die Projektions-Kunst und die Darstellung von Lichtbildern, Leipzig 1909, S. 139 |
1909 – Lichtbild-Reklame
1885 – Der photographische Hut
Photos für das touristische Skizzenbuch |
Das photographische Trockenverfahren, welches den Photographen von der Nähe einer chemischen Hexenküche unabhängig macht, ferner die Erfindung der mit einer lichtempfindlichen Bromgelatine-Schicht überzogenen Papptafeln, die dereinst vielleicht die theuren und schweren Glasplatten verdrängen werden, endlich die vielen Apparate zu schnellen Aufnahmen in Gestalt von Opernguckern, Gewehren und Pistolen – alle diese Momente haben der touristischen Photographie, wie wir sie nennen möchten, einen ungeheuren Aufschwung gegeben. Es vermögen jetzt Reisende, Künstler, Berichterstatter, Gelehrte und Militärs ohne weitere Vorkenntnisse und ohne sonderliche Mühe die interessanten Gegenstände, die sich ihnen auf ihren Wanderungen darbieten, sofort photographisch zu fixiren. Die lichtbeschienenen Platten nehmen sie mit noch Hause, und sie lassen dieselben alsdann von einem geübten Photographen in Ruhe entwickeln, bezw. vergrößern, falls sie es nicht vorziehen, das Geschäft höchsteigenhändig zu besorgen. Den Bedürfnissen den touristischen Photographen kommt der vorstehend abgebildete, von dem Belgier J. de Reck erfundene photographische Hut noch mehr entgegen, als die oben erwähnten vervollkommneten Apparate. Derselbe besteht, wie ersichtlich, aus einem gewöhnlich Filzhut, welcher einen Miniaturapparat zu photographischen Aufnahmen in seinem oberen Theile birgt. Die Linse des Apparats liegt der kleinen Oeffnung H. gerade gegenüber, die nichts Auffälliges hat, da man an Hüten vielfach ein Luftloch anbringt. Ebenso wenig auffällig ist die Schnur C. mit welcher der Tourist den Verschluß des Apparates nach erfolgter Aufnahme bewirkt, und die vorn an der Krempe angeordnete Lorgnette L, deren Glas bis auf das Mittelquadrat B. geschwärzt ist, und welche den auf die Platten festgebannten Gegenstand angiebt. Sehr schöne Bilder wird man freilich mit diesem Apparate nicht erhalten; doch dürften sie nicht allzu hohen Ansprüchen genügen. Die Aufnahmen sollen ja nur gewissermaßen das Skizzenbuch ersetzen. G. van Muyden – Die Gartenlaube Heft 46/1885, S. 771 |
1911 – Die Brieftaube als Spion
Die Brieftauben-Photographie im Dienste der militärischen Aufklärung – mehr
Warum fliege Brieftauben an ihren Herkunftsort zurück?
„Die monogamen und fortpflanzungsfreudigen Tiere kehren nicht zu ihrem Herrn oder ihrer Herrin zurück, sondern nach Hause, zu ihrem Weibchen. Auch die Weibchen fliegen zu ihren Männchen zurück, aber sie fliegen nur richtig gut, wenn sie zuhause Eier oder Junge haben. Männchen rasen schon dann, wenn sie ein Weibchen haben, von dem sie getrennt werden.“
Ansgar Häfner: Das Sehnsuchtstier, S. 96, in: Klaus Beyrer u. Hans-Christian Täubrich (Hrsg.): Der Brief. Eine Kulturgeschichte der schriftlichen Kommunikation. Eine Publikation der Museumsstiftung Post und Telekommunikation, 1996
Lille: Ein Denkmal für die Militärtauben des Ersten Weltkriegs
Projektion von Fotografien vor Gericht zur „Findung der materiellen Wahrheit“
Demonstration gerichtlicher Photographien mit Laterna Magica auf dem Kongreß von Freunden der Lichtbildkunst – Berlin 1890
[Die Demonstration] lieferte ebenso überraschende wie überzeugende Beweise für die Wichtigkeit photographisch-mikroskopischer Aufnahmen zur Feststellung von Schuld oder Unschuld von Angeklagten. Als erstes Bespiel führte der Herr Redner folgenden Gerichtsfall vor, zu welchem er auf der Projektionsscheibe das vergrößerte Bild eines Haares erscheinen ließ. In einer Untersuchung wegen Mordes sei ihm dies Haar zur Untersuchung eingesandt worden; er habe gefunden, daß es alle Markmale eines ergrauten männlichen Barthaares an sich trage; es gehörte einem alten Scherenschleifer an, welcher des Mordes verdächtig wurde. Zum Vergleich mit diesem Barthaar war dem Herrn Vortragenden ein zweites Haar zugesandt; dasselbe war an der Ermordeten gefunden worden. Die Untersuchung ergab, daß es das Haar eines Säugethiers war, worauf die demselben eigenthümlich große Marksubstanz hinwies. […] Der Verdächtige wurde darauf hin in Freiheit gesetzt. Nach längerer Zeit wurde ein anderer Mann wegen Verdachtes an demselben Morde eingezogen; derselbe hatte einen Hund mit allen eben bezeichneten Eigenschaften; […] (Berliner Tageblatt. Erstes Beiblatt vom 1. Oktober 1890)
“Endzweck der Photographie im Strafverfahren ist […] ganz erreicht, wenn sie schließlich im Gerichtssaale dazu dient, um als ein untrüglicher und neuer Faktor mit zur Findung der materiellen Wahrheit beizutragen.”[1]
Die Photographie als Hilfsmittel der Polizei und Justiz zur Findung der materiellen Wahrheit pdf
1920 – Film und Wissenschaftliche Betriebsführung
Frank Bunker Gilbreth (1868 bis 1924) gilt neben Frederick Winslow Taylor als einer der Mitbegründer der Unternehmensphilosophie, die von ihren Befürwortern als Wissenschaftliche Betriebsführung oder in einer kritischen Sichtweise als Taylorismus bezeichnet wird.
…Mr. Gilbreth hat sein Leben nahezu vollständig der wissenschaftlichen Betriebsführung, den Bewegungsstudien und der Vermeidung von unnützem Aufwand gewidmet.“ (S. 2)
Bei seinen Bewegungsstudien in industriellen und handwerklichen Abläufen ging es Gilbreth darum, unnötige Bewegungsabläufe zu vermeiden. Er sah in der Filmkamera, mit der Möglichkeit auch schnellste Bewegungen festzuhalten, das ideale Instrument für seine Studien. Um den Zeitaufwand für die einzelnen Bewegungsabläufe exakt bestimmen zu können, entwickelte er eine mit der Kamera gekoppelte Uhr, so dass auf jedem einzelnen Bild die genaue Aufnahmezeit zu erkennen war.
Außerdem wurde der dunkel gehaltene Boden und Hintergrund des aufzunehmenden Arbeitsplatzes mit einem weißen Gitternetz markiert, so dass die Bewegungsabläufe in den Quadraten dieser Gitternetze genau festgehalten werden konnten.Diese Aufnahmen boten den Arbeitern die Möglichkeit, sich in ihrer Tätigkeit aus einer Außenperspektive wahrzunehmen.
Um seine Studien weiter zu perfektionieren, entwickelte Gilbreth eine Filmkamera, mit er ein und dasselbe Bild bis zu sechzehn Mal belichten konnte, und in weiterem Schritt ein Verfahren, mit der die Aufnahmen aus zwei Positionen so überblendet werden konnten, dass mit Hilfe der Gitternetze die Bewegungsabläufe dreidimensional rekonstruiert werden konnten. Hierzu befestigte Gilbreht an den Händen oder anderen wichtigen Körperpartien elektrische Lampen, wodurch sich die Bewegungsabläuf als Lichtspuren auf den belichten Filmen abzeichneten.
Da Gilbreth davon ausging, dass es kaum möglich war, aufgrund einer Filmvorführung eine klare Vorstellung von den tatsächlichen Bewegungsabläufen zu entwickeln, setze er die Ergebnisse seiner Studien in dreidimensionale Drahtmodelle um. Durch diese Drahtmodelle würde es Arbeitern möglich – so Gilbreths Annahme – zu begreifen, wie sich ihre Bewegungsabläufe perfektionieren ließen.
„Bewegungen werden beobachtet, gemessen, zergliedert und nach rationalen Gesichtspunkten wieder zusammengesetzt. Die Medien wie Fotografie und Film hätten bei diesen Verfahren gar nicht eingesetzt werden können, wenn sie im Prinzip nicht selbst nach diesen Verfahren funktionieren würden. Was dem Menschen als Gesamteindruck oder geschlossenes Ablaufmuster in seiner Wahrnehmung entgegentritt, wird beim Film oder Fernsehen nach den Bedingungen des jeweiligen technischen Verfahrens in einzelne Elemente zerlegt und nach technischen Regeln resynthetisiert. Bei der Beschreibung dieser Bewegungsanalysen muss man heute unwillkürlich an Handhabungsautomaten und die Programmierung ihrer ‚Endeffektoren‘, also der Greifer und Werkzeuge, denken.“ (Wagner, W.-R.: Medienkompetenz revisited, München 2004, S. 96)
Abb. : Gilbreth, Frank B.; Gilbreth, Lillian Moller: Motion Study for the handicapped, London 1920
Exultet-Rollen – PowerPoint im Mittelalter
Für das einfache Stadtvolk und die Bauern waren im Mittelalter Bilder an und in den Kirchen zusammen mit der Predigt das wichtigsten Mittel ihrer religiösen Unterweisung. Eine besonders ausgeklügelte Methode, Bilder zur Unterstützung und Verdeutlichung der Predigt heranzuziehen, stellt die sogenannte Exultet-Rolle dar.
Bei dem oben stehenden Bild handelt es sich um den Ausschnitt aus einer solchen Rolle aus dem 12. Jahrhundert. Bei näherem Hinsehen stellt man fest, dass der Text am oberen Bildrand auf dem Kopf steht. Die oft über 6m langen Pergamentrollen enthielten eine Folge von großformatigen Bildern mit den dazugehörigen Texten. Der Prediger rollte sie von der Kanzel aus ab. Die Zuhörer betrachteten die Bilder, während er selben den Text vorlas. Deshalb steht von den Bildbetrachtern aus gesehen, der Text auf dem Kopf.
Der Gebrauch liturgischer Schriftrollen war in der Römischen Kirche selten. Die Verwendung dieser liturgischen Buchrollen in Süditalien zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert ist wahrscheinlich auf den Einfluss von Wandermönchen aus dem griechisch-byzantinische Kulturbereich zurückzuführen.
Die Bezeichnung Exultet-Rolle bezieht dabei sich auf ihre Verwendung in der Osterliturgie. Mit dem Jubelruf „Exultet“ (Es frohlocke) verkündete der Prediger die Auferstehung Christi. Die Bilder veranschaulichen den gesungenen Text des Exultet, indem sie diesen entsprechend der symbolisch-metaphorischen frühchristlichen Tradition illustrieren.
Bilder aus weiteren Exultet-Rollen: Museo Diocesano Bari
Fotografie im Dienste der Eugenik
In der Diskussion über das Buch „Deutschland schafft sich ab“ wird – mit Recht – der Vorwurf erhoben, Thilo Sarrazins vertrete die Ansicht, die Schichtung einer Gesellschaft beruhe überwiegend auf der „natürlicher biologischer Auslese“ („Welch hoffnungsloses Menschenbild!“ / „Die Gene sind schuld“). In diesem Zusammenhang taucht der Begriff Eugenik und damit auch der Name des britischen Naturforschers und Schriftsteller Francis Galton (1822 – 1911) auf. Nach der „Enclyclopedia Britannica“ wurde der Begriff Eugenik 1884 zum ersten Mal von Galton benutzt.
Mit Hilfe der Fotografie wollte Galton gemeinsame Merkmale von Ethnien und Berufsgruppen, aber auch den Typus des Verbrechers herausarbeiten. Er benutzte dafür sogenannte Komposit-Porträts. Dabei wurden gleich große Porträts von Angehörigen einer Gruppe – Offiziere, Verbrecher, Verwandte – nacheinander auf dieselbe Platte aufgenommen, so dass ein „Idealportrait“ entsteht, das die Gesichtszüge aller Beteiligten vereint. Durch die Übereinanderschichtung dieser Porträts sollten sich die individuellen Besonderheiten verwischen und gemeinsame Merkmale eines „Typus“ hervortreten.
Durch die Komposit-Portäts sollte der statistische Durchschnitt innerhalb einer Personengruppe fotografisch darstellbar werden. Galtons Ziel war es, die Reinheit der „angelsächsischen Rasse“ zu erhalten. Deshalb wollte er die Gruppen identifizieren, die seiner Ansicht nach von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden müssten, damit sie nicht weiter zur Degeneration des englischen Volkskörpers beitragen könnten.
Durch das im 19. Jahrhundert als naturwissenschaftlich exakt geltende Medium der Fotografie sollte über die Methode des Komposit-Porträts nicht nur die Vererbbarkeit von kriminellen Anlagen anhand von äußerlichen Merkmalen nachgewiesen werden, sondern es ging auch um die Konstruktion von Rassenunterschieden im Sinne von Höher- bzw. Minderwertigkeit
Galton stand nicht alleine mit dem Versuch, „steng naturwissenschaftlich“ aus äußeren Mermalen auf Charaktereigenschaften und vererbte Anlagen schließen zu wollen. Zu nennen wäre unter anderem Cesare Lombroso ( 1835 bis 1909), ein italienischer Arzt und Professor für Medizin und Psychiatrie. Nach Lombroso sind bestimmte Schädelformen oder z. B. zusammengewachsene Augenbrauen ein Hinweis auf eine niedrige und gewalttätige Entwicklungsstufe, die auf tief verwurzelte Anlagen zum Verbrecher hindeutet, die auch durch die Aneignung sozialer Verhaltensweisen nicht überdeckt werden können.
Vor dem Hintergrund dieser anthroplogischen Ansätze, Menschen nach Äuerßlichkeiten zu klassifizieren, verliert auch das seit dem 18. Jahrhundert aufkommende Interesse am Zeichnen und Sammeln von Silhouetten etwas von seiner biedermeierlichen Unschuld. Das „Schnellporträt“ Silhouette wird so nicht nur als Vorläufermedium der Fotografie mediengeschichtlich interessant.
Medienentwicklung: Neubewertung statt Verdrängung
PC, Laptop, Blackberry – der klassische Füllfederhalter ist am Ende. Oder doch nicht? Die großen deutschen Schreibgerätehersteller haben sich erfolgreich neue Nischen gesucht: Die einen bieten bunte Kinderfüller, die anderen Prunk-Federhalter für 20.000 Euro das Stück. (SpiegelOnline 06.07.2008)
Abb. jetzt Süddeutsche Zeitung H.45 – 08.11.99
Das Rieplsche Gesetz
In seiner Dissertation „Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer“ stellte Wolfgang Riepl , Chefredakteur der Nürnberger Tageszeitung, 1913 fest, dass eingebürgerte Medien „niemals wieder gänzlich und dauernd verdrängt und außer Gebrauch gesetzt werden […], sondern sich neben diesen erhalten, nur dass sie genötigt werden, andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen.“
Auch hier gilt, keine Regel bzw. kein Gesetz ohne Ausnahme. Ausnahmen wären z.B. der Stummfilm oder das Telegramm. Grundsätzlich in Frage stellen, lässt sich dieses Gesetz nur, wenn man von einem Medienverständnis ausgeht, bei dem die Technik im Sinne der jeweils eingesetzten Geräte und Apparaturen im Zentrum steht. Dies wird deutlich, wenn im „Dead Media Project“ im Internet die Laterna Magica als „totes Medium“ genannt wird. Geht man davon aus, dass die Laterna Magica, die Möglichkeit bot Bilder zu projizieren , dann ist dieses Medium nicht „ausgestorben“, sondern die genutzten Lichtquellen sowie der optische Aufbau der Projektionsgeräte haben sich vom 17. bis zum 20. Jahrhundert ständig verändert.
Zum Beispiel: Lesetechniken Mit dem 18. Jahrhundert wird mit Ausnahme von unmittelbaren familiären und sozialen Beziehungen das stille Lesen zur dominierenden Lesetechnik. Aus dem Übergang vom Lautlesen zum „Augenlesen“ zu schließen, dass damit das laute Lesen völlig verdrängt wurde, wäre falsch. Wie fast in immer in der Geschichte der Medien kommt es durch neue Entwicklungen nicht zu einer Verdrängung, sondern zu einer Ausdifferenzierung und Entmischung von Medienfunktionen.
„Seit der Aufklärung – in Deutschland seit Klopstock – experimentieren Autoren, Schauspieler, Vortragskünstler und Laien mit dem mündlichen Vortrag von literarischen Texten, durch lautes Vorlesen, Rezitieren, Deklamieren und Schauspielen. Das abstrakte Augenlesen wird durch eine Literatur für Stimme und Ohr ergänzt, die in Salon, Vortragssaal und Theater ihre eigenen Formen der Geselligkeit und sozialen Disziplinierung ausbildet. Gerade weil das laute Vorlesen nicht mehr dazu dienen muß, jene Menschen zu erreichen, die des Lesens unkundig sind, kann es zu einer Sprechkunst ausgebildet werden, bei der alles Gewicht auf die Art des Vortrags fällt, auf die besondere vokale Interpretation, die man einem durch stilles Lesen zumeist bekannten Text geben kann.“ (Meyer-Kalkus, S. 25)
Im weiteren Verlauf der Medienentwicklung gewinnt der mündliche Vortrag durch das Aufkommen der technischen Medien wie Schallplatte, Radio und Fernsehen sogar neue zusätzliche Bedeutung: „Scheinbar ältere kulturelle Techniken wie das laute Vorlesen und der mündliche Vortrag in geselligem Kreise werden unter neuen Bedingungen (etwa im Radio, Fernsehen und Hörbuch) gepflegt und zu einer Kunstfertigkeit gebracht, die sie in dieser Art früher nicht besaßen.“ (Meyer-Kalkus S. 27)