Die Geschichte des Films beginnt vor dem Film!

Geht man bei Überlegungen zu Medien nicht von Technik im Sinne von Geräten und Apparatur aus, sondern hat die Medien als „Programme zur Aneignung von Welt“ im Blick, dann ergeben sich medienübergreifende Zusammenhänge, und es wird deutlich, dass die Medien als soziotechnische Systeme eine Vorgeschichte haben, ohne die sie nicht einzuordnen und zu verstehen sind.

Nebelbilder (Dissolving views)
N
ebelbilder werden in einem dunklen Raume auf einer weissen Fläche mittelst gewisser Apparate hervorgerufen.

Die nebelhafte Verschwommenheit, mit welcher jedes Bild zunächst erscheint, und mit welcher es auch, nachdem es sich auf kurze Zeit zu voller Klarheit entwickelt hat, allmälig wieder verschwindet, während gleichzeitig das folgende Bild hervortritt, gab denselben die Benennung, und gerade die Eigenthümlichkeit dieser Darstellungsweise bietet für Unterhaltung einen ungewöhnlichen Reiz.
Es wird wohl kaum Jemand geben, welchem derartige Vorführungen unbekannt wären, sei es auch nur aus dem einfachsten System – der gewöhnlichen Laterna Magica…

Der Nebel-Bilder-Apparat besteht aus zwei solchen Laternen, jedoch selbstverständlich in verbessertem Linsensatze und Ausstattung. Zuweilen werden auch solche Apparate aus drei Laternen zusammengestellt und mit dem Namen „Agioskop“ bezeichnet.

Darstellung.
Ein Eisenbahnzug, eine Schlittenfahrt, Schiffe, eine Procession, Wolkengebilde, ein Mondaufgang u. s. w. — alles dies darf nicht ruckweise vorgeführt werden, sondern muss sich im Gleichmasse bewegen. Die Bilder sollen jeder Laterne genau angepasst sein, damit nicht, wenn z. B. in einem Bilde ein Brand dargestellt werden soll, dass Feuer auf ganz unpassender Stelle erscheint und nun sichtbar dem betreffenden Gebäude zugeschoben wird. Der Blitz, eine der wirkungsvollsten Darstellungen, wird am besten in der Weise gegeben, dass man beide der dabei angewandten Laternen öffnet, den Kopf der einen jedoch, in welcher das Bild des Blitzes befindlich mit der Hand bedeckt. Durch zitternde Bewegung der letztern, welche nur wenige Lichtstrahlen durchlässt, wird das Wetterleuchten täuschend nachgeahmt. Momentanes wegziehen der Hand lässt dann und wann den vollen Blitz durch. Dauert jedoch dieser Moment so lange, dass man die Umrisse des gemalten Blitzes deutlich erkennen kann, so ist alle Wirkung verloren.

Mittelst eines s. g. Agioskops oder dreifachen Nebel-Bilder-Apparates lassen sich einige Effecte noch erhöhen.

In einer Herbstlandschaft beginnt es zum Beispiel zu schneien. Allmälig lässt man die dritte Laterne, in welcher das Winterbild befindlich, und welches genau die Herbstlandschaft decken muss, öffnen, wodurch scheinbar Häuser und Landschaft sich mit Schnee bedecken.

Bei einem Brande, wo sich das rotirende Feuer in der zweiten Laterne befindet, wird in die dritte das Bild der Ruine eingeschoben, durch deren allmäliges Erscheinen die Täuschung veranlasst wird, als ob das Gebäude niederbrennt. Bei fortlaufenden Traumbildern löst sich durch den dreifachen Apparat ein Traum in dem Andern im Hauptbilde auf, während bei dem zweifachen das Hauptbild so lange unverändert erscheint, bis das erste Traum¬bild entfernt und das folgende eingeschoben ist.
Sowohl die Darstellung des Feuers, als auch des Wasserfalls und der Fontaine müssen bei dem zweifachen Apparate aufhören, um dem folgenden Bilde Platz zu machen, während mit der dritten Laterne ungestört weiter gearbeitet werden kann.

Aus: Böhm, H. R.: Anleitungen zu Darstellungen mittelst der Laterna Magica und den Nebel-Bilder-Apparates, H. G. Voigt’s Buchdruckerei, Hamburg 1876, S. 5 f

Ein Gedanke zu “Die Geschichte des Films beginnt vor dem Film!

  1. Kurze Zeit nach dieser oben gezeigten Werbeanzeige, schrieb er sich aufgrund der aufkommenden Digitalisierung (Schreibmaschine) Heinrich Robert BOEHM. Wenn meinem Ur-Ur-Großvater gedacht wird, erfreut das einen natürlich!
    Danke! Ralph Boehm

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