Darwin-Jahr: Stammbaum oder Busch, Netz, Koralle?

Der Stammbaum – eine in Adelskreisen übliche Darstellung der Verwandschaftsbeziehungen – hat sich als scheinbar intuitiv verständliches Bild für den Ablauf der Evolution etabliert. Welche Botschaften diese Form der Visualisierung transportiert, zeigt sich z. B. an der von Ernst Haeckel (1874) gewählten Darstellungsform.

Sein Stammbaum ist deutlich als Eiche zu erkennen, an deren breitem Fuß „befinden sich Amöben und einfachste Urlebewesen. Über Würmer, Fische und Amphibien strebt der Stamm in die Höhe zu den Säugetieren, bis nach ganz oben in den Baumwipfel zum Menschen als Krone der Schöpfung.“ (Rögener 2009)

In dieser Darstellung wird aus der „Evolutionsgeschichte eine Fortschrittsgeschichte von aufsteigender Stufenfolge. Aus naturwissenschaftlicher Sicht gibt es keinen Grund die Säugetiere und den Mensch als Höhe- und Endpunkt der Evolution zu sehen, sind doch Insektenarten durchaus erfolgreicher.

Für Darwin hatte die Evolution kein Ziel: „Darwin selbst verglich die Abfolge der Arten mal mit einem Baum, mal mit einer Koralle. Andere Forscher favorisierten Netze, Flüsse, kreisförmige Diagramme oder waagerecht verzweigte Strichzeichnungen.“

Neben dem immer noch populären „Stammbaum“ gibt es eine Reihe anderer Darstellungsformen für den Verlauf der Evolution, z. B. kreisförmige Darstellungen, bei denen es keine Rangordnung von unten nach oben, sondern nur ein Auseinanderstreben und Verzweigen der Arten gibt. Auch für den „horizontalen Gentransfer der Bakterien“ passt das Denkmuster vom „Baum der Evolution“ nicht.

Rögener, Wiebke: Der Stammbaum war einmal – sueddeutsche.de 22.06.2009

http://www.sueddeutsche.de/wissen/365/472885/text/9/

Vgl. auch Voss, Julia: Darwins Bilder. Ansichten der Evolutionstheorie 1837 – 187, Frankfurt am Main 2007, S. 160 ff;

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