Nachrichtenverkehr – Das Fahrrad im Postdienste

Die Gartenlaube H_25_1898

Die Geschwindigkeit der Telegrafie führte zu Übermittlungslücken. Darauf kommt Woldemars Tante in Fontanes 1897/98 publizierten Roman „Der Stechlin“ zu sprechen: „‚Ich habe dein Telegramm‘, sagte die Domina, ‚erst um ein Uhr erhalten. Es geht über Gransee, und der Bote muß weit laufen. Aber sie wollen ihm ein Rad anschaffen, solches, wie jetzt überall in Mode ist.'“ (Fontane, S. 80)

Das Fahrrad im Postdienste

Seit einiger Zeit hat die Reichspostverwaltung die ihr zur Verfügung stehenden Beförderungsmittel durch das Fahrrad vermehrt. Wo es sich um eiligen Dienst handelt, wie bei Bestellung von Telegrammen und Eilbriefen, kommt vielfach das Zweirad in Anwendung. Die gut gebauten und durch überaus leichten Gang ausgezeichneten Postzweiräder sind schon äußerlich leicht zu erkennen, da sie gelb bemalt sind und an der Lenkstande oberhalb des ersten Rades auf weißem Schilde einen Reichsadler führen. – Die Dreiräder werden erst seit kurzem zur Beförderung der Briefbeutel von den Bahnhöfen zu den Stadtpostämtern und bei Entleerung der Briefkästen benutzt. Aehnlich wie die Geschäftsdreiräder sind sie mit einem abnehmbaren Kasten versehen. Räder und Kasten sind gelb lackiert und der letztere ist auf beiden Seiten mit dem Feld geschmückt.
Unsere Abbildung führt uns in ihrem unteren Teile einen Postradfahrer vor, der Telegramme bestellt. Das Hauptbild stellt eine Scene dar, die man täglich auf dem oberschlesischen Bahnhof in Breslau beobachten kann. Eine ‚Batterie‘ von Postdreirädern steht vor der Rampe des Bahnhofpostamtes und nimmt für die verschiedenen Stadtpostämter die Briefbeutel in Empfang, die der um ¾ 6 Uhr morgens aus Berlin ankommende Schnellzug gebracht hat. Die Verwendung der Dreiräder für den Postdienst hat sich im Laufe des Sommers bewährt; ob die Beförderung im Winter auf verschneiten Straßen sich glatt abwickeln kann, wird die nächste Zukunft lehren.

Das Fahrrad im Postdienst_Die Gartenlaube H_25_1898_S_804

 (Die Gartenlaube 1898, S. 804)

Unzuverlässigkeit des Fahrrades als Mittel der Postbeförderung

Die Anwendbarkeit des Fahrrades wird eben wesentlich durch die Ortsverhältnisse beeinträchtigt, was namentlich für den Botenverkehr ins Gewicht fällt, der in der Regel nicht die großen gebahnten Kunststraßen aufsuchen kann, sondern im Gegentheil seine Hauptthätigkeit auf den minder ebenen Nebenwegen zu entfalten hat. Bei den Proben, welche vor einigen Jahren mit der

Indischer Postbote auf Fahrrad_ Geistbeck_Weltverkehr 1895_S 409
Indischer Postbote – 1895

Verwendung von Fahrrädern im Landpostdienste des deutschen Reichspostgebietes angestellt wurden, ergab sich, daß die Räder bei einem Durchschnitte von 408 Tagen nur an 244 Tagen hatten benutzt werden können. An 164 Tagen mußten sie teils wegen ungünstiger Witterung und in deren Folge eingetretener schlechten Beschaffenheit der Straße, teils wegen Ausbesserungen unbenutzt bleiben. Für einen Dienst, der wegen der zu erreichenden Anschlüsse auf gleichmäßige Bemessung der Beförderungszeiten nicht verzichten kann, ist ein Vehikel, das so oft versagt, nicht geeignet. (Geistbeck 1895, S. 409f.)

Das österreichische elektrische Post-Tricycle

Es hat verhältnismäßig lange gedauert, bis das Velociped sich vom Kinderspielzeug zum Sportvehikel und dann mit reißender Schnelligkeit zu einem wahrhaft praktischen, für die verschiedensten Zwecke verwendbaren Locomotionsapparat entwickelt hat.

post_tricyle-iz_nr_2278_1887_s_219
Österreichisches Post-Tricycle – 1896

Seine Bedeutung als solches konnte es jedoch natürlich erst erlangen, als die Technik anfing, es mit jenen Verbesserungen und Vervollkommnungen auszustatten, die es gegenwärtig besitzt, und welche es –abgesehen von der noch ungelösten Frage der Verwendung von Dampf, comprimirter Luft, Elektricität etc. als Triebkraft – zu einem im wesentlichen kaum noch verbesserungsfähigen, maschinellen Typus gestalten.

Das anfangs viel belächelte Sportvehikel, das ursprünglich bei seinem zufälligen Erscheinen außerhalb der Rennbahnen und Uebungsplätze nur mit spöttischen Bemerkungen begrüßt wurde, hat im Laufe der letzten Jahre durch seine Verwendbarkeit in der ganzen civilisirten Welt sich ebenso siegreichen Eingang verschafft wie die einst viel gelästerte Nähmaschine.
Ist auch, wie erwähnt, im wesentlichen das moderne Velociped kaum noch, es sei denn in einzelnen Details, verbesserungsfähig, so bedingt doch seine immer zunehmende Verwendung zu neuen Zwecken eine den speciellen Anforderungen anzupassende Modification in der Construction, kurz gesagt die Schaffung von Typen, die speciellen Bedürfnissen zu dienen haben. Wie die Locomotive, das Dampfschiff, die Equipage, die Wagen und Karren den verschiedenen Leistungen, zu denen sie verwendet werden, entsprechend construirt, gewisserrmaßen individualisirt werden, so muß auch das moderne Vehikel, das Velociped, den verschiedenen Anforderungen angepaßt werden, die an sein Leistungsfähigkeit gestellt werden.
Ein neuester Typus dieser Art, ist das von der Oberpostdirection seit kurzem versuchsweise in Dienste gestellte Tricycle, das nach Angaben des wiener Velocipedspecialisten A. Curjel construirt wurde. (Zeitschrift für Elektrotechnik  1896, S. 30)

Literatur
Das Fahrrad im Postverkehr. In: Die Gartenlaube H. 25/1898, S. 804
Fontane, Theodor 1980: Der Stechlin. Werke, Schriften und Briefe, Abteilung I, Bd. 5, München: Carl Hanser
Geistbeck, Michael [1895]: Der Weltverkehr. Seeschiffahrt und Eisenbahnen, Post und Telegraphie in ihrer Entwicklung. Freiburg im Breisgau: Herdersche Verlagshandlung
Zeitschrift für Elektrotechnik. Organ des Elektrotechnischen Vereins in Wien.Wien 1896, S. 30

Abb. Das Fahrrad im Postdienste aus Die Gartenlaube H. 25/1898, S. 804
Abb. Indischer Postbote aus Geistbeck 1895, S. 409
Abb. Österreichisches Post- Tricyle  aus Illustrirter Zeitung Nr. 2278/1887, S. 219

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