Das Kino – ein illegitimes Kind der Quantifizierung und Datafizierung

Die Filmkamera heißt es im [Brockhaus 1988, S. 293], unterscheidet sich von der Stehbildkamera „konstruktiv in der Verschluß-, der Filmtransport- und der Filmspuleneinrichtung, die es ermöglichen, eine bestimmte Anzahl Bilder in einer Sekunde zu belichten und weiterzuschalten. Erforderlich ist, daß das einzelne Bild bei der Belichtung stillsteht: der Filmtransport muß also rückweise geschehen, […].
Wichtige Beiträge zur Entwicklung einer solchen Kamera leistete der französische Physiologe Étienne-Jules Marey aus seinem wissenschaftlichen Interesse an der Analyse von Bewegungen heraus.
Muybridges Reihenaufnahmen von Pferden im Galopp weckten Mareys Interesse an der Fotografie. Aufgrund der Fortschritte in der Optik und Fotochemie[1] sah er die Chance, fotografische Verfahren als Mess- und Registriertechniken einzusetzen. Für die Untersuchungen von Vögeln im freien Flug entwickelt Marey eine „chronophotographische Flinte“.Photographische Flinte_Eder_1886_S_153
Mit Blick auf den Beitrag zur Entwicklung der Filmtechnik ist es wichtig, dass hier ein Uhrwerk[2] zum Einsatz kam, um die Trommel mit ihren Scheiben in eine intermittierende Bewegung zu versetzen, die notwendig ist, um den Lichteinfall vom Objektiv auf die lichtempfindliche Platte durch die auf den Scheiben angebrachten Schlitze so zu steuern, dass auf der Platte nacheinander Bilder aufgenommen werden können. Mit Hilfe dieses Apparates konnten die einzelnen Phasen des Flugverhaltens von Vögeln mit 10 bis 12 Aufnahmen pro Sekunde bei einer Belichtungszeit von einer 1/720 Sekunde festgehalten werden, ohne in die Bewegungsabläufe verändernd einzugreifen.
Bei sehr schnellen Bewegungen stand Marey jedoch vor dem Problem, dass sich die Mann in Schwarz_S.11Aufnahmen auf der Platte überlagerten. Um auch bei der gewünschten schnellen zeitlichen Abfolge der Aufnahmen die Bewegungen analysieren zu können, kleidete er seine Versuchspersonen schwarz und markierte z. B. nur das Bein, den Oberschenkel und den Arm auf der der Kamera zugewandten Körperseite mit hellen Streifen und Punkten [Marey 1894, S. 807].[3]

„Unter solchen Umständen lassen sich von demselben Gegenstande auf eine einzige Platte in der Secunde nicht nur zehn, sondern hundert verschiedene Aufnahmen bringen, ohne dass man die Schnelligkeit der Scheibendrehung zu steigern brauchte. Man muss dann nur statt des Schlitzes in der Scheibe deren zehn in genau gleich weiten Abständen anbringen.“ [Eder 1886, S. 187 f.]
Mit der von ihm entwickelten „photo-chronograpischen Methode“ war es Marey so zwar möglich, die Veränderungen eines Objekts, das sich mehr oder weniger schnell bewegt, in einer Abfolge von Momentaufnahmen festzuhalten. Falls sich das Objekt jedoch nur sehr langsam oder sogar nur auf der Stelle bewegte, ließen sich die einzelnen Bilder nur unzureichend von einander unterscheiden oder überlagerten sich völlig.
Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, konstruierte Marey eine Kamera, in der ein mit einer lichtempfindlichen Schicht überzogenes Papierband am Verschluss vorbei transportieren wurde. Da die Aufnahmen unscharf werden, wenn das Band am geöffneten Verschluss vorbei bewegt würde, entwickelte Marey ein Verrichtung, bei der der Transport des Bandes durch einen Elektromagneten während der Belichtung für 1/5000 Sekunde angehalten wurde. Eder_1886_S_188_Momentphotographie
So erhielt er Bilder mit der wünschenswerten Schärfe. Da Längenangaben kontinuierlich mitaufgezeichnet wurden, ermöglichte die zeitliche Taktung der Belichtung eine genaue Analayse der Bewegungen von Menschen und Tieren. [Marey 1888]
Mareys wissenschaftliche Untersuchungen von Bewegungsabläufen zielten auf konkrete, anwendungsbezogene Ergebnisse. So war das Kriegsministerium nach der Niederlage im deutsch-französischen Krieg daran interessiert, die Marschleistungen der französischen Soldaten zu optimieren. Auch das Interesse an Bewegungsabläufen bei Pferden beschränkte sich zu einer Zeit, in der man beim Militär noch auf Pferde als Zug- und Reittiere angewiesen war, nicht auf kalifornische Millionäre, Rennstallbesitzer und Künstler [Marey 1894, S. 805].

[1] Seit den 1870er Jahren stand mit der Erfindung der Bromsilber-Gelatine-Trockenplatten ein Fotomaterial zur Verfügung, das nicht nur leichter zu handhaben, sondern außerdem die erforderliche Empfindlichkeit für extrem kurze Belichtungszeiten mitbrachte.
[2] In mechanischen Uhrwerken bewirkt der Gangregler über das in das Hemmungsrad eingreifende Hemmstück das periodische Anhalten („Hemmen“) des Räderwerks und damit den regelmäßigen Gang der Uhr.
[3]Im Original: „Avec cette méthode [la chronophotographie sur plaque fixe], il est vrai, les images d l’homme ou de l’animal en movement se réduisent à quelques points brillants et à quelques lignes. Mais cela suffit, en general, pour caractériser l’action des members aux diverses allures.” (Marey 1894, S. 807)

Abbildungen
Photographische Flinte – Eder [1886], S. 153

Versuchsperson in schwarzem Anzug mit weißen Streifen auf Armen und Beinen für chronophotografische Bewegungsanalysen – Marey, Étienne-Jules [1893], Die Chronophotographie, Berlin: Mayer & Müller, S. 11
Partielle Momentaufnahme eines laufenden Mannes mit gläzenden Bändern: Eder [1886], S. 188

Literatur
Brockhaus Enzyklopädie [1988]: in 24 Bd. – 19., völlig neu bearbeitete Auflage Bd. 7, Mannheim: Brockhaus
Eder, Josef Maria [1886]: Die Moment-Photographie in ihrer Anwendung auf Kunst und Wissenschaft, Halle a. Saale: Wilhelm Knapp
Marey, Étienne [1888]: Décomposition des phases d’un mouvement au moyen d’images photographiques successives, recueillies sur une bande de papier sensible qui se déroule – Extrait des Comptes rendus hebdomadaires des séances de l’Académie des Sciences, t. CVII; séance du 29 octobre 1888: http://www2.biusante.parisdescartes.fr/livanc/?do=page&cote=extcdf005&p=138 [Stand: 04.01.2014]
― [1894]: La station physiologique de Paris (1), in: La nature : revue des sciences et de leurs applications aux arts et à l’industrie, Jg. XXXI, S. 802

Vgl. dazu: Wagner; Wolf-Rüdiger : Étienne-Jules Marey ein Wissenschaftler, der nebenbei zum Filmpionier wurde. In: Hischer, Horst [2016]: Mathematik — Medien — Bildung. Medialitätsbewusstsein als Bildungsziel. Wiesbaden: Springer Spectrum, S. 85 ff.

 

 

Highttech und populäre Musik im 19. Jahrhundert

Ein Beitrag zur Archäologie der Medienkultur

Die Gartenlaube H_25_1898

Leierkasten als Volkserzieher
Dem aufmerksamen Beobachter wird, wohl in allen Theilen unseres großen deutschen Vaterlandes in gleicher Weise, eine eigenthümliche Erscheinung auffallen. Wir meinen das gleichsam epidemische Auftreten eines volksthümlichen Lieblingsliedes aller Welt. Dasselbe verbreitet sich, meistens von einer großen Stadt ausgehend, strahlenförmig über ganze Provinzen, ja Länder, bis in die entlegensten Dörfer und Flecken derselben, wird von Alt und Jung in rastlosem Eifer gesungen und verschwindet dann wieder – um von einem neuen verdrängt zu werden. […]
[…] der Leierkasten muß dem niedrigsten Volksschichten gegenüber in aller Wahrheit als ein Lehrer, ein Erzieher betrachtet werden. Aus seinen politischen Liedern entnimmt der Bube seine ersten Begriffe und Anschauungen von der Welt: er zieht im Geiste mit hinaus nach Schleswig-Holstein und ruft mit seinen Beinchen auftrampelnd: „Up ewig ungedeelt!“ An den Liebesliedern des Leierkastens entflammen sich die ersten heißen und süßen Gefühle im Herzen des jugendlichen Dienstmädchens und willig wird auch der so sauer erworbene Groschen noch für die „fünf neuen Lieder“ dahingegeben, um die liebliche Worte sorgfältig nachstudieren zu können.
Leider ist aber der Leierkasten in neuerer Zeit vollständig in die Fußstapfen des Volkstheaters getreten, hat sich fast ausschließlich der Posse zugewandt und ist daher, fast überall, ebenso wie die Bühne, im Stadium des „höheren Blödsinns“ angelangt. […]
An die Humanität und Einsicht aller wahren Volksfreunde appellirend, mache ich auf diesen argen Mißstand nicht blos aufmerksam, sondern füge auch eine dringende Mahnung hinzu. Meines Erachtens ließe sich nämlich unendlich Segensreiches stiften, wenn in jeder Stadt wohlmeinende und befähigte Männer zusammentreten und Vereine gründen möchten, welche sich die Aufgabe stellen: die volkserziehenden Leierkasten, in billigster Weise, immer mit guten und volksthümlich gedichteten Lieder, namentlich nationalen und patriotischen Inhalts zu versehen. Sehr schwierig könnte dies Ziel wahrlich nicht zu erreichen sein – und welch reicher Segen würde daraus erblühen! […]

Gartenlaube Nr. 42/1865, S. 672

Der Leierkasten – ein Phänomen der Medienlandschaft des 19. Jahrhunderts
Bilder von Kriegsinvaliden, die in Berliner Hinterhöfen die Kurbel ihres Leierkastens drehen, lassen leicht übersehen, dass es sich bei der Verbreitung von populären Liedern mit dem Leierkasten bzw. der Drehorgel um ein typisches Phänomen der Medienlandschaft im 19. Jahrhundert handelt. Nicht nur Gassenhauer und Opern- und Operettenmelodien wurden auf diesem Weg schnell verbreitet, sondern das mobilisierende Potenzial der Musik wurde auch für politische Zwecke eingesetzt. Bei diesen mechanische Musikautomaten handelte es sich komplexe Instrumente, die in spezialisierten Werkstätten hergestellt wurden.

Der Leierkasten als „programmiertes“ Musikinstrument
Stiftwalze„Im Gegensatz zu einer manuell spielbaren Orgel mit einer Klaviatur wird die Ansteuerung der Töne durch einen Programmträger übernommen, der sich in der Spieleinrichtung befindet. Die älteste Form des Programmträgers ist die Stiftwalze. Diese ist seit dem Altertum bekannt. Anfang des 20. Jahrhunderts hat das Lochband bzw. der Lochkarton die Stiftwalze abgelöst. Eine Stiftwalze (meist auswechselbar) kann bis zu zwölf Musikstücke, verbreitet sind sechs bis acht Musikstücke, enthalten. Die Lauflänge des Musikstückes ist durch den Walzenumfang begrenzt. Durch austauschbare Lochbänder oder Lochkartons ist die Spieldauer und die Zahl der spielbaren Lieder fast unbegrenzt.“ (SWR Fernsehen)
Ihr Erwerb war mit so hohen Kosten verbunden, dass Drehorgeln zum Teil gewerblich verpachtet und verliehen wurden. Die Stiftwalzen mit den jeweils aktuellen Liedern mussten erworben werden. Der Verkauf von Flugschriften mit den Liedtexten bildete eine der Einnahmequellen der Drehorgelspieler (Vgl. Grosch 2014, S. 106f.)

Literatur
Grosch, Nils 2014: Die Drehorgel und die Eroberung des öffentlichen Raums durch populäre Musik im 19. Jahrhundert, in: Prügel, Roland (Hrsg.): Geburt der Massenkultur, Nürnberg, S. 106-109

1928 – Lexikon, Epidiaskop und Arbeitsunterricht

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„Die Zeit diktiert heut ein rasches Tempo; im Leben draußen, daheim, selbst in den stillen Schulräumen ist der Pulsschlag heut rascher, formt die Zeit schneller als früher. Da hilft kein Klagen und Trauern. All das hat seine Daseinsberechtigung, wie sie ehemals, aus ihren Zeiten heraus, die Stille einer Klosterschule hatte. Unsere Jugend lebt im Zeitalter der Automobile, des Radios, des Flugzeugs mit 100 km und mehr Stundengeschwindigkeit. Und wenn dem Jungen in der Schule bewußt oder unbewußt alle diese Dinge ferngehalten werden, dann wird sein Sinnen und Trachten nach der Schule um so mehr von ihnen gefangen genommen. Sie sind Ausdruck der Zeit, Charakteristika, Wesensarten, und ohne sie ist das Zeitbild falsch.“ (S. 380)

Die Zeit, so der Autor dieses Beitrags, erfordere also im Unterricht diesen Veränderungen Rechnung zu tragen. Der Weg über „das schnell laufende Filmband das unmittelbarste Leben der Jugend belehrend vor Augen“ zu führen, sei „für die meisten noch nicht gangbar“. Die früher üblichen „mehr oder minder gelungenen Anschauungstafeln“ seien „unvollkommen, schwerfällig und veraltet“. Eine Lösung böte sich an über „die Aufstellung einer Sammlung von Glasdiapositiven“.

 Epidiaskop

 

„Wer aber je dem Praktischen dieser Frage nähertrat, der weiß, mit welchen Schwierigkeiten und hohen Geldausgaben all dies verknüpft ist. Schon bei der Anschaffung eines guten Dia-Projektionsapparates entstehen die ersten Schwierigkeiten. Diese Hindernisse aber werden noch größer und erscheinen riesengroß, wenn man an den Ausbau eines solchen Lichtbildarchives geht. Die Glasdiapositive und auch die Filme sind kostspielig, leicht verderblich und darum von einer relativ kurzen Lebensdauer. Springen, Einreißen und Zerkratzen sind an der Tagesordnung und erschweren diese Arbeit. Da führt, wie die Erfahrung hier und an anderen Schulen lehrt, ein Mittelweg zu einem beachtenswerten Ziel. Eine vorbildliche Sammlung erstklassiger Anschauungsbilder, einfarbig und bunt, ist im neuzeitlichen Lexikon zu finden, sei es nun ein Lexikon von dieser oder jener Tendenz. Sie alle verfügen über viele Hunderte von Anschauungsbildern erster Zeichner, erster Künstler. Das Lexikon ist handlich übersichtlich geordnet, ist großzügig angelegt.
Falsch wäre es nun, diese Blätter, diese kleinen, 2 – 3 cm großen Bilder im Klassenzimmer herumzuzeigen oder von Schüler zu Schüler weiterzugeben. Hier hilft nun der Epidiaskopapparat, und auch nicht jeder.“ (S. 380

Hier folgen eine Warnung, dass bei bestimmten Apparaten die Bilder durch die von den Lampen ausgestrahlten Wärme beschädigt werden, Erläuterungen zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Auf- und Durchprojektion sowie Hinweise, wie es „durch die Hilfe der Schüler“ möglich sei, den Klassenraum schnell für die Projektion herzurichten.

„Jedenfalls ist diese Arbeit in unserer Schule, die Arbeit mit dem Lexikon, dem Projektionsapparat und der Pergamentfläche so positiv und produktiv, daß wir den Apparat schon in jedem Unterrrichtsfach, ob Heimatkunde oder Deutsch, Zeichnen oder Musik, brauchten, und dies recht oft, da Lehrer und Schüler fühlten, daß der so belebte Arbeitsunterricht nach jeder Seite hin ertragrecher war als der nur sachlich eingestellte.“ (S. 381)

 Bruno Zwiener: Lexikon, Epidiaskop und Arbeitsunterricht, in: Neue Bahnen – Reform-Zeitschrift für Erziehung und Unterricht, 39. Jg. H-8/1928, S. 380 – 381
Abb. Paul Ed. Liesegang: Die Projektions-Kunst und die Darstellung von Lichtbildern, Leipzig 1909, S. 139

1911 – Die Brieftaube als Spion

Brieftaube mit Fotoapparat

Die Brieftauben-Photographie im Dienste der militärischen Aufklärung – mehr

Warum fliege Brieftauben an ihren Herkunftsort zurück?
„Die monogamen und fortpflanzungsfreudigen Tiere kehren nicht zu ihrem Herrn oder ihrer Herrin zurück, sondern nach Hause, zu ihrem Weibchen. Auch die Weibchen fliegen zu ihren Männchen zurück, aber sie fliegen nur richtig gut, wenn sie zuhause Eier oder Junge haben. Männchen rasen schon dann, wenn sie ein Weibchen haben, von dem sie getrennt werden.“

Ansgar Häfner: Das Sehnsuchtstier, S. 96, in: Klaus Beyrer u. Hans-Christian Täubrich (Hrsg.): Der Brief. Eine Kulturgeschichte der schriftlichen Kommunikation. Eine Publikation der Museumsstiftung Post und Telekommunikation, 1996

Lille: Ein Denkmal für die Militärtauben des Ersten Weltkriegs

Medien als Erfahrungsgüter

Unter einem Erfahrungsgut versteht man in den Wirtschaftswissenschaften ein „Gut, dessen Qualität ein Haushalt erst nach vollzogenem Konsum feststellen kann. Der Konsum von Erfahrungsgütern zieht Lerneffekte nach sich, die das Nachfrageverhalten zukünftiger Perioden beeinflussen.“ (Wirtschaftslexikon)

Medien zählen ganz offensichtlich zu den Erfahrungsgütern. Wenn diese Einschätzung stimmt, dann stellt sich auch bei Lehrern erst dann ein Lerneffekt ein, wenn sie mit Medien konkrete Erfahrungen im Unterricht gemacht haben. Wenn dies so zutrifft, findet man hier die Erklärung mancher Schwierigkeiten bei der Implementierung von Medienarbeit und Medienbildung.

Rückblick auf das Jahr 1978: Die Rolle der Medien beim Sturz des Schahs

Modernisten-Feinde nutzen moderne Massenpropaganda (DER SPIEGEL 50/1978)

Denn die meisten Iraner haben sich ihren Willen über ihn längst gebildet und machen ihn für alle Fehler seines Regimes persönlich verantwortlich: für die Korruption der Beamten und die Folter-Verhöre der Geheimpolizei Savak, für Arbeitslosigkeit und Vernachlässigung der Landwirtschaft, die dazu führte, daß der einstige Selbstversorger Iran heute 20 Prozent seines Bedarfs importieren muß, und schließlich für die Menschen, die das Jahr über im Feuer der Soldaten starben.

Was den Aufstand gegen den Schah aber so einmalig macht, ist die Kraft, die ihn auslöste: Es war islamische Rechtgläubigkeit, die wohl seltsamste revolutionäre Speerspitze der Geschichte, die Schah-Feinde der verschiedensten politischen Lager zum Kampf gegen das Regime integrierte — die Geschäftsleute in den Basaren, die liberale Intelligenz, die Arbeiter auf den Ölfeldern.

In religiösem Eifer predigten die 180 000 Mullahs im Lande gegen den Schah — und dann noch ein alter Mann mit Bart und Turban. der rund 4500 Kilometer von Teheran entfernt im Pariser Vorort Neauphle-le-Château im Exil lebt: Ajatollah Chomeini, 78, rief zum „Jihad“, zum heiligen Krieg, der nach Moslem-Überzeugung jedem, der darin umkommt, die sofortige Aufnahme ins Paradies sichert.

Die Tonbandaufnahmen mit seinen stets neuesten Reden gegen den Schah dröhnen aus den Minarett-Lautsprechern vieler der 80 000 persischen Moscheen und geben dem Aufstand etwas Absurdes:

Mit Mitteln moderner Massenpropaganda haben religiöse Modernisten-Feinde die vor Jahresfrist noch ungebrochene Autokratie eines der großmachtsüchtigsten Herrscher der Erde ins Wanken gebracht und sein von Amerika zur stärksten Militärmacht in Nah- und Mittelost hochgerüstetes Reich zu einem weltpolitischen Risikofaktor ersten Grades werden lassen.

„Vor 100 Jahren starb Robert Koch“ – Mikroskop und Medienkompetenz

MikroskopDie Fähigkeit, sich mit Bildern aus Naturwissenschaft, Technik und Medizin analytisch und kritisch auseinandersetzen zu können, erhält zunehmend Bedeutung, da diese Bilder den Eingang in alle Bereich der öffentlichen Kommunikation finden und dort Einfluss auf politische und gesellschaftliche, aber auch individuelle Entscheidungsprozesse haben.

Dass man die Forderung nach der Fähigkeit, Bilder analytisch und kritisch lesen zu können, nicht von außen an Naturwissenschaft, Technik und Medizin heranträgt, sonder sich dabei auf den fachinternen Diskurs beziehen kann – und muss, lässt sich exemplarisch an den Texten Robert Kochs, dem Begründer der Bakteriologie und späteren Nobelpreisträger, aufzeigen.

Mehr hierzu: Robert Koch, die Begründung der Bakteriologie und die Anforderungen an Medienkompetenz – Ein Plädoyer für die Ausweitung der Medienanalyse und Medienkritik auf Naturwissenschaften, Medizin und Technik