Medien werden zweimal erfunden

Edison führt in Paris seinen Phonographen vor (1889)

Ungleich manchen anderen Erfindungen des großen „Zauberers vom Menlo-Park“, des Amerikaners Edison, dem wir ja auch das Telephon und die elektrischen Glühlampen verdanken, hat sich der Phonograph bisher keinen praktischen Wirkungskreis zu erobern gewußt. Es ist mehr eine interessante Spielerei. (Berliner Illustrirte Zeitung 1903)

Edison über die mögliche Verendung des Fonografen (1878)

  1. Briefe schreiben und jede Art Diktat ohne Stenogramm.
  2. Fonografische Bücher, mit denen sich Blinde ohne Anstren­gung ihrerseits unterhalten können.
  3. Unterricht über Vortragskunst.
  4. Wiedergabe von Musikstücken.
  5. „Familienarchive“, nämlich Aufbewahrung von Äußerungen, Erinnerungen usw. von Mitgliedern der Familien in natürli­cher Stimme; letzte Kundgebungen Sterbender.
  6. Musikalische Spielzeuge, Spieldosen.
  7. Uhren, die in artikulierter Sprache Aufbruchs-, Mahlzeiten usw. ansagen.
  8. Sprachenfixierung durch genaue Wiedergabe der Aussprache.
  9. Erzieherisches: Aufbewahrung von Lehrern gegebenen Er­klärungen, so daß sich die Schüler jederzeit unterrichten können. Buchstabier- und anderer Unterricht, um das Ein­prägen zu erleichtern.
  10. Verbindung mit dem Fernhörer, so daß dieser in den Dienst der Übermittlung von Platten bleibenden und unschätzbaren Werts treten kann, statt bloß zur Mitteilung augenblicklicher und flüchtiger Dinge benützt zu werden.

Aus: Ford, Henry [1947]: Mein Freund Edison, Leipzig u. München: Paul List, S. 23
Abb. Listening to the phonograph at the Paris Exhibition: Scientific American 1889, S. 231

„Mit der Erfindung eines technischen Apparates hat eine Technik noch nicht den Weg in den alltäglichen Gebrauch gefunden und ist auch noch nicht die weitere Richtung ihrer Entwicklung vorgezeichnet. Unterschiedliche Nutzungsvisionen werden in verschiedenen Milieus der Gesellschaft entworfen und erprobt. Dabei prägen die dahinterstehenden kulturellen Konzepte der Kommunikation den Ausbau des technischen Systems.“
siehe Auf das Netz kommt es an!
Werner Rammert: Der Anteil der Natur an der Genese einer Technik: Das Beispiel des Telefons. In: Forschungsgruppe Telekommunikation (Hrsg.): Telefon und Gesellschaft. Beiträge zu einer Soziologie der Telefonkommunikation, Berlin, S. 94
Abb. Scientific American 1889, S. 231

Vom Lap Desk zum Laptop

Schreiben war schon früher nicht ausschließlich auf Wohnungen und Büros beschränkt. Seit dem 18. Jahrhundert führte man auf Reisen sein eigenes Schreibpult im Gepäck mit sich. Im Englischen sprach man von Lap Desks oder Writing Cabinets. Es handelte sich dabei um aufklappbare Holzkästen mit Fächern für Papier, Tinte, Schreibfedern, Federmesser, Siegellack und Streusand. Aufgeklappt erhielt man eine schräge Schreibunterlage. Lap Desks kamen seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts in England in Mode. Beliebt waren sie u. a. bei Offizieren. Berühmt wurde der nach Plänen von Thomas Jefferson gebaute Lap Desk, auf dem er 1776 in Philadelphia die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung schrieb.

Eine Animation im Digitalen Museum des Betthoven-Haus in Bonn zeigt den Aufbau von Beethovens Reiseschreibpult.

Abb. Antique Lap Desk (frühes 19. Jahrhundert) – http://en.wikipedia.org/wiki/File:Antique_lap_desk_interior_view.JPG

Ein Sommerlochbeitrag zur Entschleunigung

1887 – KRITIK AM STILLEN LESEN

Während heute nur noch in wenigen Situationen „laut gelesen“ wird, war dies bis ins 19. Jahrhundert hinein die übliche Form des Lesens. Noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts attackierte der einflussreiche Germanist Heinrich Rudolf Hildebrand* in seinem Buch „Vom deutschen Sprachunterricht in der Schule und von deutscher Erziehung und Bildung überhaupt“ das „stille Lesen“ oder „Augenlesen“ heftig:
„…dieß rasche Lesen, d.h. Durchjagen des Gedankens durch oder über eine Uebermenge von Einzelheiten, Begriffen, Vorstellungen, Gedankenverbindungen hin (um von den Empfindungen nicht zu reden), dieß jagende Lesen macht ein reines Auffassen so zu sagen mechanisch unmöglich, denn die Anschauung und Empfindung, die doch allein die wirkliche Betheiligung des Geistes und der Seele bedingen und darstellen, können nicht folgen, weil sie ein Verweilen brauchen, sie ziehen sich erlahmend zurück, verkriechen sich in eine Art Schlummerzustand; wer so list, ist wie Einer, der mit dem Schnellzug z.B. durch einen schönen Wald fährt und dabei eigentlich weder vom Walde einen Begriff bekommt noch auch die Bäume wirklich sieht, es verschwimmt ihm Alles, das Ganze wie das Einzelne in wesenlosen Schatten. Das rasche Augenlesen hilft nebst anderen Einflüssen der Zeit unser gesundes Empfinden und Denken zernagen, an dem doch aller Fortschritt hängt, alle Rettung aus den schweren Gefahren unsrer Zeit.  (Hildebrand 1887, S. 44 f.)

* Hildebrand (1824 – 1894) war Professor für Deutsche Sprache und Deutsche Literatur an der Leipziger Universität. Unter anderem arbeitete er seit 1852 am Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm mit, dessen Herausgabe er .nach dem Tod Jakob Grimms im Jahr 1863 übernahm.

Medienpädagogische Warnung an Freunde der Großtechnologien

INTEL PRODUCTS ARE NOT INTENDED FOR USE IN MEDICAL, LIFE SAVING, OR LIFE SUSTAINING APPLICATIONS

14. Juli 2010 – Reuters meldet: Der weltgrößte Chiphersteller Intel hat mit seinen Bilanzdaten die Märkte positiv überrascht.

Fehler in der Arithmetik von Computern

Besonders der endliche Speicher des Computers ist die Quelle ernsthafter und tiefer Probleme. Denn Computer sind ‚mathematische‘ Werkzeuge; sie dienen als Werkzeug für mathematische Berechnungen, für die mathematische Modellbildung, für Simulationsverfahren aller Art. In der Mathematik gehört jedoch der Umgang mit unendlichen Mengen, insbesondere mit der Menge der reellen Zahlen zum Alltag. Und solche Mengen lassen sich nicht oder nur sehr schwer im Computer darstellen. Die klassische Software (Programmiersprachen, Anwendersoftware) verwendet meist die ‚Gleitkomma-Technik‘ zur Darstellung von reelen Zahlen  […] Jede in der Realität vorkommende reelle Zahl muss bei der Übertragung in den Computer einer dieser Gleitkommazahlen zugeordnet werden. […]
Man kann den Rechnungen auf der Basis der Gleitkommazahlen, streng genommen, nicht rauen; dennoch wird es tagtäglich milliardenfach getan. Und natürlich wird der Mikroprozessor, vor dessen Benutzung Herstellerfirmen [wie Intel warnen], auch in Situationen eingesetzt, wo das Leben und die Gesundheit von Menschen vom ‚richtigen‘ Funktionieren des Prozessors abhängt.

Ziegenbalg, Jochen; Ziegenbalg, Oliver; Ziegenbalg Bernd [2016]: Algorithmen von Hammurapi bis Gödel. Springer Spectrum: Wiesbaden; S. 191f.

Fehlerfreiheit
In Spezialfällen ist ein Beweis der Fehlerfreiheit eines Programms möglich. Insbesondere in Bereichen, in denen der Einsatz von Software mit hohen finanziellen, wirtschaftlichen oder menschlichen Risiken verbunden ist, wie z. B. bei militärisch oder medizinisch genutzter Software oder in der Luft- und Raumfahrt, verwendet man zudem eine (formale) Verifizierung genannte Methode, bei der die Korrektheit einer Software formal-mathematisch nachgewiesen wird. Dieser Methode sind allerdings wegen des enormen Aufwands enge Grenzen gesetzt und sie ist daher bei komplexen Programmen praktisch unmöglich durchzuführen (siehe auch Berechenbarkeit). Allerdings gibt es mittlerweile Werkzeuge, die diesen Nachweis laut eigenen Angaben zumindest für Teilbereiche (Laufzeitfehler) schnell und zuverlässig erbringen können.