Quantifizierung und Datafizierung – Vom Barometer zum Wettersatelliten

Meteorologie und Medienbildung? In einer „datengetriebenen Wissenschaft“ wie der Meteorologie waren und sind die Möglichkeiten der Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung,  wozu Sichtbarmachen, Messen, Speichern, Kommunizieren, Sammeln, Klassifizieren, Analy­sieren, Vergleichen, Visualisieren, Modellieren und Simulieren zählen, von den zur Verfügung stehenden medialen Techniken abhängig.

Wettersatelliten die ‚Superaugen‘ der Meteorologen: Damit eine Wettervorhersage funktioniert, bedarf es zunächst einer möglichst genauen Analyse des „Ist-Zustandes“ der Atmosphäre. Auf dem Land liefern Wetterstationen mit einer mehr oder weniger großen Abdeckung einen wesentlichen Teil der notwendigen Daten. Auf den Ozeanen sieht das schon etwas anders aus. Dort erfassen z. B. Bojen, Schiffe und Flugzeuge zwar auch meteorologische Daten, allerdings mit einer in hohem Maße unzureichenden Abdeckung. Daraus resultieren größere Fehler in der Analyse des Ist-Zustands und somit beispielsweise auch Einbußen in der Qualität der computergestützten Wetterprognose. Dort, wo zu wenige oder gar fehlende Messungen den Meteorologen und die Wettermodelle ‚blind‘ machen würden, springen die Wettersatelliten in die Bresche. (Leyser 2016)

Wettersatelliten sind aus dem Alltag der Meteorologen nicht mehr wegzudenken. Sie sind ein unverzichtbares Werkzeug für die Analyse und Vorhersage verschiedenster Prozesse in der Atmosphäre. An den Wettersatelliten wird deutlich, dass beim Blick auf Medien mehr als die Technik im Sinne der Apparate und Systeme in den Blick genommen werden muss.

In Techniken materialisieren sich „Programme der Weltaneignung“. „Wetter“ erlebt man. Über „Witterung“ muss man Buch führen. Damit war die Meteorologie als „Witterungskunde“ von Anfang an abhängig von den technischen Möglichkeiten im Bereich der Datenerfassung, der Datenverarbeitung und der Kommunikation.

Ein Rückblick auf die Entwicklung der Meteorologie zeigt, dass sich der Begriff Technik dabei nicht nur auf die eingesetzten Instrumente und Apparate als solche bezieht, sondern auch auf Verfahrensweisen und ihre Anwendung im Kontext organisatorischer und institutioneller Rahmenbedingungen.

Temperatur- und Luftdruckveränderungen werden von uns wahrgenommen, wenn auch

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Barometrograph

die „Wetterfühligkeit“ individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sein mag. Bei dem Thermometer und dem Barometer, wie sie im Laufe des 17. Jahrhundert entwickelt wurden, können die Veränderungen von Temperatur und Luftdruck an der Bewegung der Quecksilbersäule abgelesen und gemessen werden. Sie lassen sich also als Medien auffassen, durch die Umweltphänomene sichtbar und damit mess- und analysierbar werden.

Aber bevor Thermometer und Barometer zu Hauptinstrumenten der Meteorologie werden konnten, musste sich die „Witterungskunde“ erst einmal in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als ein ernst zu nehmendes Gebiet naturwissenschaftlicher Forschung etablieren. 1778 konnte der Physiker und Mathematiker Johann Lorenz Böckmann feststellen:
Die Untersuchung der mancherley verschiedenen Abwechselungen und Veränderungen in der uns umgebenden Atmosphäre fängt endlich an nach dem längst geäusserten Wunsche vieler großen Männer ein beträchtlicher Theil der practischen Naturlehre zu werden. […] Sie verdienet auch ohne allen Zweifel diese Achtung der Welt wegen ihres unläugbaren Einflusses in die ganze thierische und Pflanzen Oeconomie. (Böckmann 1778, S. 4f.)

Zum Gegenstand naturwissenschaftlicher Forschung kann die „Witterungslehre“ werden, bockmann-titelseiteweil man, wie Böckmann formuliert, davon ausgeht,
„[dass] wir alle periodischen Hauptveränderungen der Witterung mit nicht viel geringerer Gewißheit und Genauigkeit werden vorher bestimmen können, als unsre verschwisterte Freundinn, die Astronomie, es beym Laufe der Gestirne thut. (Böckmann 1778, S, 12)

Mit dem Bezug zur Astronomie und der auf diesem Gebiet erreichten wissenschaftlichen Erkenntnisse macht Böckmann deutlich, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Thermometer, Barometer und andere Messgeräte zu Medien der Weltaneignung werden können:
Daß zuvörderst die Anzahl guter genauer Beobachter sich vermehre;
Daß in jedem jedem beträchtlichen Lande wenigstens an drey biß vier mit Auswahl bestimmten Orten tägliche Beobachtungen über die Veränderungen des Wetters uns so viel möglich zu rnämlichen Stunde des Tages sorgfältig angestellet und richtig aufgezeichnet werden; Daß man ferner in den Registern eine Sprache rede, das heißt, solche Zeichen gebrauche, die jedem Naturforscher an jeder Ecke der Welt gleich verständlich sind; Daß man deswegen Werkzeuge von einerley Materie und Eintheilung oder wenigstens solche gebrauche, die eine richtige und leichte Vergleichung mit einander erlauben,
Daß man bey den meteorologischen Instrumenten auf die größte innere Vollkommenheit sehe, […]. (Böckmann S. 16 f.)

Die Meteorologie ist eine „datengetriebene Wissenschaft„.Dies galt bereits für die Anfänge der „Witterungskunde“.  Aufschluss über Gesetzmäßigkeiten der Wetterabläufe als Grundlage für Wettervorhersagen konnte man sich nur über länderübergreifende Langzeituntersuchungen erhoffen. Tabellarische Übersichten reichten alleine nicht aus, um die dabei anfallende Datenmenge für eine Annalyse aufzubereiten. Von daher experimentierte man schon früh mit der grafischen Aufbereitung der Wetterdaten, z.B. in Diagrammen und synoptischen Wetterkarten.

Mehr zu den Anfängen der Meteorologie: quantifizierung-und-datafizierung_wetterkarten-und-wetterprognosen-310117

Literatur
Böckmann, Johann Lorenz [1778]: Wünsche und Aussichten zur Erweiterung und Vervollkommnung der Witterungslehre. Einsichtsvollen Naturforschern zur Prüfung und Theilnehmung dargestellt. Carlsruhe: Michael Maklot, Hochfürstl. Bad. Hofbuchhändler und Hofdrucker
Leyser, Adrian [2016]: Wettersatelliten: Der Meteorologen „Superaugen“ – http://www.wetterdienst.de/Deutschlandwetter/Thema_des_Tages/2472/wettersatelliten-der-meteorologen-superaugen
Traumüller, Friedrich [1885]: Die Mannheimer meteorologische Gesellschaft (1780 – 1795). Ein Beitrag zur Geschichte der Meteorologie. Leipzig: Dürrsche Buchhandlung

Abb. Barometrograph = selbstschreibendes Barometer aus Traumüller 1885, S. 40